Fragen und Antworten für Lehrpersonen
Auf jeder Stufe. Haben Kinder bereits ab Kindergartenalter die Möglichkeit sich in eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihrem Körper, ihren persönlichen Grenzen und Bedürfnissen zu begeben, führt dies zu einer besseren Selbstwahrnehmung. Das Bewusstwerden der persönlichen Wünsche, Bedürfnisse und Wertvorstellungen im Austausch mit anderen Kindern und Erwachsenen, fördert eine respektvolle Grundhaltung zu sexuellen Themen. Findet regelmässiger Unterricht zu Sexualaufklärung statt, können altersadäquate Informationen vermittelt und Kompetenzen erlangt werden, die zur Festigung der positiven Selbst- und Fremdwahrnehmung und zur Sprachfähigkeit beitragen können.
Diesbezüglich gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse: es gibt Kinder und Jugendliche, die sind neugierig, was die Jungen oder die Mädchen zu den Themen der Sexualaufklärung sagen, gewisse Themen werden dann aber doch lieber in geschlechtergetrennten Gruppen diskutiert. Es empfiehlt sich beides in den Unterricht der Sexualaufklärung einzubauen, damit möglichst alle Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihre Fragen im gewünschten Umfeld besprechen zu können.
Als Lehrperson ist es wichtig, eine offene Haltung dem Thema gegenüber zu zeigen und eine klare Position gegen jegliche Diskriminierung von LGBTI zu beziehen. Dafür kann es sinnvoll sein, Parallelen zu anderen Themen zu suchen und ähnlich zu handeln wie in folgenden Situationen: „Wie gehe ich mit rassistischen Äusserungen um?“ - „Wie reagiere ich bei frauenfeindlichen Aussagen?“ - „Wie greife ich bei Bodyshaming ein?“. Auch eine Einzelfallberatung für Lehrpersonen bei www.du-bist-du.ch/fachpersonen/ oder eine Klassenintervention zu diesem Thema (Beispielsweise durch www.abq.ch, www.gll.ch) kann hilfreich für eine differenzierte Auseinandersetzung sein.
Wünschenswert ist, dass die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt allgemein im Unterricht eingebunden und thematisiert wird. Auf diese Weise können Schüler_innen eine positive Haltung zur Vielfalt in der Gesellschaft entwickeln.
Wenn ein_e Schüler_in die eigene Homosexualität im Unterricht offenbart, ist zu beachten, dass die Klasse sehr unterschiedlich reagieren kann. Es kann sein, dass die Klasse sich dafür wenig interessiert, ein Coming-Out begrüsst und unterstützt, sich darüber lustig macht oder sogar eine Mobbingsituation entsteht. Idealerweise werden Jugendliche, die sich geoutet haben, einzeln angesprochen und gefragt, ob sie sich Unterstützung wünschen und wenn ja, wie diese aussehen soll. Jugendliche können z. B. auf die Austauschmöglichkeiten oder das Beratungsangebot von www.du-bist-du.ch aufmerksam gemacht oder mit der Schulsozialarbeit vernetzt werden.
In diesem Fall ist es wichtig, auf die Menschenrechte und das Recht der Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu verweisen und zu erklären, dass Ehrverletzung und üble Nachrede gemäss Art. 173 StGB strafbar sind.
Erinnern Sie an die vereinbarten Regeln. Versuchen Sie nicht, den Schüler oder die Schülerin zu überzeugen. Dies wird zu keinem Meinungswechsel führen. Sie können die Diskussion jedoch öffnen und auch jenen das Wort geben, die positiv über die sexuelle Vielfalt sprechen. Werden die Grenzen wiederholt überschritten, ist unter Umständen eine Sanktion notwendig, um ein Klima des Vertrauens in der Klasse aufrecht erhalten zu können. Schlagen Sie der Schülerin oder dem Schüler vor, nach dem Unterricht unter vier Augen nochmals darüber zu sprechen. Ein individueller Austausch ermöglicht vielleicht, sich offener mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Denken Sie auch daran, dass die Thematik der sexuellen Vielfalt aus verschiedenen Gründen irritieren kann: unterschiedliche Wertvorstellungen, Homosexualität als Tabu in der eigenen Familie oder Kultur. Diese Thematik kann auch deshalb schwierig sein, da Jugendliche sich vermehrt mit der geschlechtlichen Identität auseinandersetzen und sich selber hinterfragen. Es ist eine sehr verletzliche Phase. Alles was in dieser Zeit als irritierend oder bedrohend erscheint, führt oft zu vehementer Ablehnung.
Auch die Sexualpädagogin oder der Sexualpädagoge sieht sich manchmal mit dieser Situation konfrontiert. Sie können offen zugeben, dass Sie die Antwort nicht kennen und das Versprechen abgeben, der Antwort nachzugehen. Wichtig ist genau zu verstehen, was die Person wissen möchte. Dazu eignen sich Rückfragen, um den Wissensstand zu klären. Die Frage kann auch als Auftrag an die Schüler_innen formuliert werden. Oft verfügen Kinder und Jugendliche über viele Lösungsansätze, wenn es um Fragen zu Sexualität und Beziehung geht. Bei sehr persönlichen Fragen gilt es die Regel einzuhalten, dass alle selber entscheiden, auf welche Fragen sie eine Antwort geben möchten oder nicht, die Lehrperson mit eingenommen. Bei persönlichen Fragen an Sie als Lehrperson gibt es auch die Möglichkeit, eine verallgemeinernde Antwort zu geben, um die Information von der eigenen Person zu distanzieren.
Es macht Sinn, die Eltern zu informieren. Eltern sind die Hauptverantwortlichen für die Sexualaufklärung ihrer Kinder. Die Schule unterstützt die Eltern bei diesem erzieherischen Auftrag. Darum sollte dem Dialog zwischen Lehrpersonen und Eltern ein besonders hoher Stellenwert zukommen. Eltern sollen nicht den Eindruck erhalten, dass ihr innerfamiliäres Erziehungshandeln bezüglich Sexualaufklärung bewertet oder in Frage gestellt wird. Sie sollen vielmehr darauf vertrauen können, dass sie durch fachlich fundierte Informationen von Fachpersonen in ihrem Handeln gestärkt werden. Durch eine transparente Information betreffend Inhalten und Arbeitsweisen, sowohl von Lehrpersonen als auch externen Fachpersonen, erfahren Eltern, mit welcher Ergänzung sie rechnen können. Wird im Kindergarten und in der Unterstufe Sexualaufklärung durchgeführt, ist es sinnvoll, die Eltern im Vorfeld mit einem Elternbrief zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Rückfragen zu stellen. Arbeitet die Schule zusätzlich mit externen Fachstellen zusammen, ist es empfehlenswert, in regelmässigen Abständen Elternvorträge anzubieten, bei denen die Eltern die Fachpersonen kennenlernen können.
Sexualaufklärung, die sich an den sexuellen Rechten orientiert, verpflichtet sich der Meinungsfreiheit ebenso wie der Glaubens- und Religionsfreiheit und garantiert den für die Schule geltenden Grundsatz der religiösen Neutralität. Es ist Ziel der Sexualaufklärung, mit Kindern und Jugendlichen über verschiedene religiöse und kulturelle Wertesysteme in Austausch zu kommen. Die kritische Auseinandersetzung lässt Kindern und Jugendlichen die Freiheit, sich mit ihrem Wertesystem zu identifizieren, ohne andere Wertesysteme als minderwertig oder falsch klassieren zu müssen. Schulische Sexualaufklärung soll Ansichten wie «kein Sex vor der Ehe» genauso zu Wort kommen lassen, wie die Forderung der Ehe für alle, auch für homosexuelle Paare. Eine wertneutrale Sexualaufklärung anerkennt die religiöse und kulturelle Vielfalt, sofern die Grundrechte wie Bildung, Nichtdiskriminierung und Chancengleichheit gewährleistet sind.
Kinder und Jugendliche sind von erwachsenen Menschen wie Eltern und Lehrpersonen abhängig. Gerade in diesem Abhängigkeitsverhältnis geschehen sexuelle Übergriffe. Aber auch zwischen Kindern und Jugendlichen kann es zu sexualisierter Gewalt kommen (1).
Sexualaufklärung in der Familie und im institutionellen Rahmen leistet einen wichtigen Beitrag zur Prävention von sexualisierter Gewalt. Sexualaufklärung stärkt den Selbstwert von Kindern, lehrt sie den eigenen Körper zu schätzen und gibt dem Kind die Möglichkeit, sich in einer vertrauensvollen Umgebung auszudrücken.
Schulische Sexualaufklärung behandelt Sexualität mit positivem Ansatz und zeigt auf, was gesunde und respektvolle Beziehungen ausmacht und dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Sie stärkt die Lebenskompetenzen von Kindern und Jugendlichen und unterstützt sie, eine kritische Meinung zu bilden und sich selbst zu behaupten. Diese Kompetenzen können ihnen helfen, sexualisierte Gewalt zu erkennen und sie allenfalls befähigen, Hilfe zu suchen.
An dieser Stelle gilt es daran zu erinnern, dass unabhängig davon welches Präventionsprogramm an der Schule durchgeführt wird, die Verantwortung für eine möglichst gesunde Entwicklung der Kinder stets bei den Erwachsenen liegt. Prävention von sexualisierter Gewalt an Schulen erfordert als erstes eine institutionalisierte Kommunikationskultur, welche eine offene Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglicht und Verdachtsmomente frühzeitig zur Sprache bringt.
Auch die seit April 2018 in Kraft getretene Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen* und häuslicher Gewalt (siehe Art. 14 Bildung) unterstreicht die Wichtigkeit der Bildung.
(1) Eine empirische Untersuchung zu sexuellen Übergriffen an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz (UBS Optimus Foundation, Optimus-Studie, 2012, S. 9) zeigt, dass im Fall von Kleinkindern (1-5 Jahre) Täter_innen vor allem aus dem engen Familienkreis oder dem nächsten Bekanntenkreis stammen.
Schüler_innen sind sehr unterschiedlich. Die Gruppendynamik kann bewirken, dass es leichter fällt Interesse an Fragen zur Sexualität zu zeigen, sie kann aber auch das Gegenteil bewirken und eher lähmen. Wenn Kinder und Jugendliche nicht aktiv am Unterricht teilnehmen, bedeutet es nicht automatisch, dass sie desinteressiert sind. Auch durch das Zuhören können sie vom Unterricht profitieren. Es kann auch sein, dass sie zu grosse Scham empfinden, um sich ausdrücken zu können. Diese Zurückhaltung gilt es ebenfalls zu respektieren. Das Interesse hängt von verschiedenen Faktoren ab, u.a. auch von der psychosexuellen Entwicklung. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich gleichaltrige Schüler_innen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden und sich nach ihrem Rhythmus entwickeln.
In der Deutschschweiz bieten verschiedene Fachstellen für Sexualpädagogik und Fachstellen sexuelle Gesundheit Unterricht zu Sexualaufklärung durch schulexterne Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen an. Um in Eerfahrung zu bringen, welche Fachstellen in Ihrem Kanton tätig sind, klicken Sie hier.
Es ist nicht sinnvoll, den gesamten Unterricht zur Sexualaufklärung zu delegieren. Die im Lehrplan 21 definierten Kompetenzen im Bereich der Sexualaufklärung gehen weit über die zeitlich begrenzten Möglichkeiten der externen Fachpersonen hinaus. In den meisten Deutschschweizer Kantonen werden 1 bis 2 Besuche durch externe Fachpersonen finanziert, was nicht ausreicht, die erwähnten Kompetenzen zu erlangen. Lehrpersonen haben die Aufgabe, grundlegende Informationen zu vermitteln. Auch ist wichtig, dass der Unterricht durch externe Fachpersonen in eine Vor- und Nachbereitung eingebettet wird. Sinnvoll ist eine gute Absprache zwischen Lehrperson und externer Fachperson, damit die Unterrichtsinhalte abgestimmt werden können und auf die Schulsituation eingegangen werden kann.
Für Lehrpersonen kann es entlastend sein zu wissen, dass die Schüler_innen besonders schambehaftete Fragen mit unabhängigen Fachpersonen besprechen können. Sie werden dadurch vom Rollenkonflikt, bedingt durch das Spannungsfeld «Nähe-Distanz» befreit. Gewisse Themen oder Fragen wollen losgelöst von einer Beziehung im Schulalltag, wie sie zwischen Lehrpersonen und Schüler_innen existiert, behandelt werden, da sie emotional und persönlich sind.
Es gibt keine verbindliche Regelung diesbezüglich. Es ist sinnvoll diese Frage mit der externen Fachperson zu klären und die Vor- und Nachteile abzuwägen. Die Anwesenheit der Lehrperson kann helfen, den Besuch der Sexualpädagogin oder des Sexualpädagogen in den Regelunterricht einzubetten und die Lehrperson bekommt die von der Fachperson verwendete Sprache mit. Die Abwesenheit der Lehrperson kann aber auch fördern, dass Kinder und Jugendliche es wagen, sich offener zu Themen der Sexualität zu äussern, da sie die externe Fachperson nicht kennen und ihr nach dem Unterricht vermutlich nicht mehr begegnen werden. Je nach Klassensituation kann auch eine Mischform umgesetzt werden. So kann ein gemeinsamer Start und ein gemeinsamer Abschluss geplant werden, während die externe Fachperson zwischenzeitlich alleine mit der Klasse arbeitet.
Das kommt in der Tat vor und kann als gutes Zeichen gewertet werden. Kinder und Jugendliche begreifen, dass es sich dabei nicht um ein beliebiges Thema handelt. Die Aufregung zeigt auch auf, dass es um intime Themen geht, die es zu beschützen gilt. Sie ist häufig ein Zeichen von Scham und Unsicherheit. Daher brauchen Schüler_innen eine sorgfältige Einführung in die Themen, die Orientierung bietet. Bevor Sie mit Fragen zur Sexualität beginnen, vereinbaren Sie Regeln, welche den Rahmen für den Unterricht abstecken und eine vertrauensvolle Unterrichtsatmosphäre begünstigen. Die Schüler_innen sollen wissen, was von ihnen erwartet wird und was nicht. Folgende Regeln können als Beispiel dienen und von der Klasse vervollständigt werden:
- Einander zuhören
- Keine Zwischenkommentare, keine Witze auf Kosten der andern
- Alle haben das Recht, nicht antworten zu müssen
- Es werden sachliche Begriffe verwendet
- Zurückhaltend sein mit Erzählen von Persönlichem
- Diskretion
- Alle Fragen sind willkommen
- Den Eltern vom Unterricht erzählen ist erwünscht
- Die Lehrperson steht im Anschluss an den Unterrichts für persönliche Fragen zur Verfügung
- Das Thema darf Spass machen, es darf gelacht werden, es wird jedoch niemand ausgelacht für das, was sie oder er sagt oder fragt
Die Einführung in die Thematik und die zu Beginn des Unterrichts besprochenen Regeln sollten verhindern, dass es soweit kommt. Nichtsdestotrotz kann es geschehen, dass Kinder und Jugendliche von ganz persönlichen Erlebnissen erzählen. Als Lehrperson ist es Ihre Aufgabe die Schülerin oder den Schüler sanft zu unterbrechen, ihr oder ihm zu verstehen zu geben, dass es mutig ist, das zu erzählen, dass dies jedoch zum eigenen Schutz nicht der Moment sei, darüber zu sprechen, dass Sie jedoch im Anschluss gerne für sie oder ihn da seien. Wichtig ist, dass die Lehrperson ruhig bleibt, Wort hält und im Anschluss für die Schülerin oder den Schüler als Bezugsperson da ist, der Schülerin oder dem Schüler Glauben schenkt und ihr oder ihm mitteilt, dass sie verpflichtet ist dafür zu sorgen, dass sie oder er Hilfe bekommt. Die Lehrperson darf die Schülerin oder den Schüler nicht weiter ausfragen. Es besteht die Gefahr, dass man aufgrund der emotionalen Betroffenheit in eine Dynamik von Suggestivfragen gerät. Schreiben Sie in direkter Rede auf, was die Schülerin oder der Schüler erzählt hat und versehen Sie es mit Datum und Unterschrift. Die Lehrperson soll die Schülerin oder den Schüler mit der schulsozialarbeitenden Person oder der Opferberatungshilfe vernetzen und sich selber mit der Schulleitung austauschen, um das Erlebte zu reflektieren und weitere Handlungsschritte zu definieren. Bei strafrechtlich relevanten Vorkommnissen besteht Meldepflicht. Es ist zu empfehlen, dass jede Schule ein Konzept entwickelt, das Handlungsmöglichkeiten und –prozesse bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt aufzeigt und klare Zuständigkeiten benennt (weitere Infos siehe Limita, Schutzkonzepte). Wichtig ist auch, das Vorgefallene in der Klasse zu thematisieren und nicht so zu tun, als ob nichts vorgefallen wäre.
Erwachsene gehen aufgrund eigener Erfahrungen und Wertvorstellungen häufig davon aus, dass dem so ist. Es bedeutet jedoch nicht, dass Schüler_innen dies ebenso empfinden. Wie Sexualaufklärung im Unterricht umgesetzt wird, unterscheidet sich sicherlich von Lehrperson zu Lehrperson. Wichtiger als das Geschlecht scheint jedoch das Engagement im Unterricht zu sein und ob es der Lehrerin oder dem Lehrer gelingt ein vertrauensvolles Klima zu gestalten, das offene Gespräche begünstigt. Falls das Bedürfnis nach geschlechtergetrenntem Unterricht zu gewissen Fragen der Sexualaufklärung gewünscht wird, bietet es sich an, innerhalb des Lehrer_innenkollegiums nach einer Lösung zu suchen oder externe Fachpersonen einzuladen. In Ergänzung zu den Lehrpersonen kommen externe Fachpersonen meist zu zweit (ein Sexualpädagoge und eine Sexualpädagogin). So haben Jungen die Möglichkeit ihre Fragen mit einem Mann und Mädchen mit einer Frau zu besprechen.
Sie brauchen nichts Spezielles zu berücksichtigen. Viele gehen häufig davon aus, dass muslimische Schüler_innen schambehafteter sind als andere. Es wird angenommen, dass sie sich nicht wagen, ihr Interesse an Fragen zur Sexualität zu zeigen. Diese Stereotypen verhindern eine individuelle Wahrnehmung der Schüler_innen. Unabhängig von Religion und Kultur haben die einen schon Erfahrungen mit Liebesbeziehungen oder Sexualität gemacht, die andern noch nicht. Genau wie andere Kinder und Jugendliche werden sie aktiv Fragen stellen oder eher zurückhaltend sein und das vom Unterricht mitnehmen, was nützlich und interessant für sie erscheint.
Von Schüler_innen mitgebrachtes Bild- oder Videomaterial im Unterricht zu verwenden eignet sich, um sie in ihren Interessen abzuholen. Vergewissern Sie sich jedoch, dass der Inhalt des Videomaterials für das Alter Ihrer Schüler_innen angemessen ist und nicht gegen den Jugendschutz verstösst. Gemeinsam ein Videoclip anschauen reicht nicht aus. Definieren Sie vorgängig Lernziele, um im Anschluss eine Gruppendiskussion führen zu können, die sich an Ihren vorbereiteten Fragen orientiert. Dies ermöglicht eine konstruktive Reflexion.
Weitere Informationen zum Thema Medienkompetenz finden Sie auf der nationalen Plattform "Jugend und Medien".
Die Reaktion hängt vom Alter der Schülerin oder des Schülers ab. Kindern soll die rechtliche Lage mit möglichst einfachen Worten erklärt werden. Es kann sein, dass Kinder unfreiwillig pornografische Bilder oder Videos oder Nacktbilder von Schulkamerad_innen erhalten. Wenn sie diese Bilder anschauen, machen sie sich nicht strafbar. Zeigen sie diese Bilder jedoch anderen Schüler_innen oder verschicken sie dieses Material, so machen sie sich strafbar. Kinder sollen sich in einer solchen Situation an eine Vertrauensperson wenden und über das Gesehene reden, damit diese Bilder eingeordnet werden können. Das Bild- oder Videomaterial muss gelöscht werden.
Mit Jugendlichen empfiehlt es sich die aktuellen Vorkommnisse im Unterricht aufzugreifen und eine differenziertere Auseinandersetzung über Pornografie zu führen, ohne die Pornografie dabei zu verteufeln. Jugendliche sollen legale und illegale Pornografie unterscheiden können und sollen wissen, dass das Erstellen, Anschauen und Verschicken von Nacktbildern von unter 16-Jährigen als Kinderpornografie gilt und daher strafbar ist. Die Auseinandersetzung mit Pornografie soll verschiedene Aspekte aufgreifen: Unterschiede zwischen Realität und Fiktion, dargestellte Rollenbilder, männliche Potenz, Schönheitsideale, Machtverhältnis zwischen Mann und Frau und Beeinflussung der Erwartungen an partnerschaftliche Sexualität.
Weitere Informationen zum Thema Medienkompetenz finden Sie auf der nationalen Plattform "Jugend und Medien".
Jede Klassenveranstaltung ist verschieden. Die folgende Schilderung ist ein Beispiel, wie eine Klassenveranstaltung verlaufen kann:
Im Vorfeld einer Klassenveranstaltung zu Sexualaufklärung wird der Einsatz mit der Lehrperson vorbesprochen. Dabei werden Vorgehen, zu behandelnde Inhalte, Einbettung in die Unterrichtsplanung, Besonderheiten, auf die im Unterricht Rücksicht genommen werden müssen und die allfällige Elterninformation besprochen. Je nach Thematik wird ein geschlechtergetrennter oder geschlechtergemischter Unterricht vereinbart. In der Regel werden die Lehrpersonen aufgefordert, die Schüler_innen anonyme Fragen aufschreiben zu lassen, damit sich die Sexualpädagog_innen auf den Unterricht vorbereiten und auf das Interesse der Schüler_innen eingehen können, ohne dass diese sich im Unterricht exponieren müssen. Da die Sexualpädagog_innen die Schüler_innen nicht kennen, kommt dem Einstieg in die Thematik eine wichtige Rolle zu. Ein spielerischer Einstieg mit Vorstellungsrunde, das treffen von Abmachungen und ein erster Austausch über Liebe, Freundschaft und Sexualität bricht das Eis und begünstigt eine vertrauensvolle Atmosphäre. Je nach Schwerpunkt wird spezifisches Veranschaulichungsmaterial verwendet: Bilder, Videosequenzen, Modelle der inneren und äusseren Geschlechtsorgane, Symbolgegenstände, Verhütungsmittel, Broschüren usw. Es wird viel Wert auf einen abwechslungsreichen und interaktiven Unterricht gelegt, wobei alle Schüler_innen für sich entscheiden, wieviel stark sie sich einbringen wollen. Eine Auswertung mit den Schüler_innen und eine Nachbesprechung mit der Lehrperson schliessen die Klassenveranstaltung ab.
Schon früh wird das Internet als Informationsquelle für Fragen rund um das Thema Liebe, Partnerschaft und Sexualität genutzt, ob von Erwachsenen angeregt oder nicht. Auf fundierte und dem aktuellen Wissensstand entsprechende Webseiten aufmerksam zu machen, bietet Jugendlichen eine gute Orientierung. Des Weiteren stellt dies eine Chance dar, auch darüber zu sprechen, wie eine qualitativ hochwertige Webseite erkannt wird. In der Regel beleuchtet eine qualitativ hochwertige Webseite alle Aspekte der Sexualität, zeigt die Vielfalt und die individuelle Entwicklung auf, vermeidet geschlechterstereotype Sprache und Bilder, enthält keine Werbung, usw. Es bietet sich auch an, Kindern und Jugendlichen Aufträge zu geben, bei denen sie auf ausgewählten Webseiten recherchieren müssen.
Folgende Auswahl an Webseiten können empfohlen werden (SGCH erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
- www.lilli.ch: Online Informations- und Beratungsplattform für Jugendliche und junge Erwachsene zu Themen der sexuellen Gesundheit.
- www.tschau.ch: Online Informations- und Beratungsplattform für Themen rund um den Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
- www.feel-ok.ch: Informationen und Dienstleistungen über viele gesundheits- und gesellschaftsrelevante Themen in Form von Texten, Spielen und Tests für Jugendliche. Kostenlose Unterrichtsmaterial für Lehrpersonen.
- www.147.ch/de/sexualitaet/: Beratung und Hilfe zu verschiedenen Themen u.a. Sexualität.
- www.skppsc.ch: Informationen zu sexuellen Übergiffen und illegaler Pornografie der Schweizerischen Kriminalprävention.
- www.du-bist-du.ch: Peer-Beratung und Informationsvermittlung für junge LGBT-Menschen oder junge Menschen, die sich ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität nicht sicher sind.
- www.mibuli.ch: Die Milchjugend ist die grösste Jugendorganisation für lesbische, schwule, bi, trans* und asexuelle Jugendliche und für alle dazwischen und ausserhalb.
- www.tgns.ch: Beratung und Informationsvermittlung von und für trans Menschen (nicht spezifisch auf Jugendliche ausgerichtet).
- www.lgbt-helpline.ch: Beratungsstelle für alle Anliegen in Sachen LGBT+ und Meldestelle für homo- und transphobe Gewalt (nicht spezifisch auf Jugendliche ausgerichtet).
- www.drgay.ch/de/: Online Informations- und Beratungsplattform für schwule Männer zu Themen der sexuellen Gesundheit (nicht spezifisch auf Jugendliche ausgerichtet).
- www.sex-i.ch: Aktuelle und fachlich abgestützte Informationen zu Themen der sexuellen Gesundheit in vielen Sprachen (nicht spezifisch auf Jugendliche ausgerichtet).
Andere Frequently asked questions (FAQ) zur schulischen Sexualaufklärung für Kinder und Jugendliche sind auf der Homepage der Allianz für Sexualaufklärung zu finden oder siehe unter www.sexualerziehung-eltern.ch.